Dirk Toepffer (CDU):
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich zunächst einige Worte zur Geschichte dieses Antrags sagen. Dieser Antrag ist in einer Zeit geboren, in der man in den Zeitungen vieles über Flüchtlingszahlen gelesen hat. Ich zitiere den Tagesspiegel vom 20. Januar 2016: „Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil rechnet für 2016 mit mehr als 2 Millionen Flüchtlingen in Deutschland …“ Wie vieles, was diese Landesregierung prognostiziert hat, ist auch das nicht eingetreten.
Aber es sind schon einige gekommen. Wir gehen davon aus, dass auch weiterhin Flüchtlinge zu uns kommen werden. Nun haben wir damals gesessen und gerechnet: 2 Millionen Flüchtlinge für Deutschland, 200 000 Flüchtlinge für Niedersachsen. Als wir im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung über das Landes-Raumordnungsprogramm gesprochen haben, haben wir uns gefragt: Welche Folgen hat dieser Bevölkerungszuwachs für die Landesraumordnung? (Vizepräsident Karl-Heinz Klare übernimmt den Vorsitz)
Dem lagen folgende Überlegungen zugrunde: Wenn Hunderttausende Menschen nach Niedersachsen kommen, dann muss man sich die Frage stellen: Wo werden sie leben? – Irgendwo müssen sie ja hin. Leben sie in den Städten? Leben sie auf dem flachen Land? Leben sie im Norden, im Süden? Wenn man weiß, wo sie künftig leben werden, muss man sich die Frage stellen, ob man möglicherweise die Landesraumordnung den veränderten Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung anpassen muss. Das war die simple Frage, mit der es losging. Die Antworten der Landesregierung waren dann für uns doch überraschend. Zunächst wurde gesagt: Wir können überhaupt keine Auswirkungen der Flüchtlingsbewegung für die Landesraumordnung erkennen. – Bei weiterem Nachfragen wurde dann gesagt: Im Übrigen gehen Flüchtlinge dorthin, wo sie hinwollen. – Wie soll man das eigentlich steuern und beeinflussen? Wenn man es nicht steuern und nicht beeinflussen kann, dann muss man auch nicht im Rahmen der Landesraumordnung darauf eingehen. Das ist der Ansatzpunkt dieses Antrages.
Meine Damen und Herren, wir glauben, dass man Flüchtlingsbewegungen sehr wohl beeinflussen und steuern kann. Wir glauben auch, dass man Flüchtlingsbewegungen beeinflussen und steuern muss.
Ich will Ihnen dafür ein praktisches Beispiel nennen, damit man es wirklich versteht. Wir hatten vor einigen Monaten den Vorschlag des Oberbürgermeisters von Goslar, der gesagt hat: In meiner Stadt gibt es extrem viele leerstehende Häuser und Wohnungen. Ich will mehr Flüchtlinge in meiner Stadt haben. – Ich muss ganz ehrlich sagen, ich empfand diesen Vorschlag damals als zu kurz gesprungen, weil ich mich gefragt habe: Was nützt es, wenn die Flüchtlinge nach Goslar kommen? Da sitzen sie dann in den Wohnungen, aber ihnen fehlen Arbeitsplätze, und sie fühlen sich dort eigentlich nicht wohl, nicht zu Hause und können nicht integriert werden. Aber anders wird ein Schuh daraus, wenn man weiß, dass in derselben Stadt Arbeitsplätze frei sind.
(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Wo denn?)
– Im Bereich des Fremdenverkehrsgewerbes, weil Bedienungen in Hotels und in der Gastronomie gesucht werden. Ja, auch dort sind Arbeitsplätze frei. Insofern stellt sich die Frage: Was kann man jetzt tun, um das alles zueinander zu bringen? – Ich will die Frage vom Beispiel Goslar loslösen, liebe Frau Emmerich-Kopatsch, weil Sie da aufgrund persönlicher Befindlichkeiten – so habe ich den Eindruck – irgendwie persönlich betroffen sind. Wenn es in Niedersachsen Städte gibt, die sagen: „Ja, wir haben Wohnraum, wir haben Arbeitsplätze, wir könnten Menschen und Fachkräfte gebrauchen!“, dann muss man doch versuchen, das zusammenzubringen. Da macht man dann Folgendes und sagt: Ja, hier ist der Wohnraum. Wir geben den Eigentümern der Häuser die Möglichkeit, sie ein bisschen zu sanieren. Wir legen Sprachkurse genau in diese Kommunen. Wir sehen zu, dass die Leute dort eine Berufsausbildung in den Berufen erhalten, die gebraucht werden. So schafft man eine Win-WinSituation, mit der man allen hilft. (Editha Lorberg [CDU]: Genau!)
Deswegen ist dieser Antrag entwickelt worden. Er nennt sechs Instrumente, mit denen man an dieser Entwicklung arbeiten kann. Da gibt es zum einen die Generalklausel, die besagt: Wir müssen bestimmte Regionen attraktiver machen. Darüber, wie man es machen kann, muss man diskutieren. Ich gebe zu, es gibt viele Punkte zum Bereich Wohnraum. Dieser Antrag ist vielleicht ein bisschen wohnraumlastig. Es stellt sich auch die Frage: Muss man das Landes-Raumordnungsprogramm möglicherweise anpassen, wenn man feststellt, dass eine bestimmte Anzahl von Menschen in einem bestimmten Raum angesiedelt wird, dass es dort mehr werden und wir möglicherweise Infrastruktur oder so etwas anpassen müssen? – Das sind die Dinge, die zu diskutieren sind.
Im Ausschuss gab es dann eine interessante Anhörung. Ich habe festgestellt: Es gab eigentlich nur einen einzigen Anzuhörenden, nämlich den Vertreter des Leibniz-Forums für Raumwissenschaften, der sich überwiegend kritisch geäußert hat, weil er der Meinung war, dass man Flüchtlinge in der Fläche nicht integrieren kann. Es gab aber auch andere. Ich zitiere: „Wir halten den Antrag deshalb für einen guten Beitrag zu einer sehr wichtigen Debatte, weil er die Schaffung von notwendigen Rahmenbedingungen bei der Integration von geflüchteten Menschen in den Fokus nimmt.“ Das war der Deutsche Gewerkschaftsbund.
(Zustimmung bei der CDU – Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Der hat aber noch etwas anderes gesagt!)
– Ja, im Detail hat er auch etwas anderes gesagt. In der Überschrift aber heißt es zunächst einmal: Es ist gut. Der Flüchtlingsrat fand den Antrag – ich zitiere – „als Idee und Ansatz in manchen Teilen bemerkenswert“. Der Bürgermeister von Schladen-Werla erklärte: „Uns Bürgermeister plagt zurzeit die fehlende Vorgabe und Einflussnahme des Landes bei ganzheitlichen, umfassenden Integrationskonzepten.“ Frau Emmerich-Kopatsch, so war das. Alle haben gesagt: Das ist ein guter und richtiger Antrag. – Alle haben gesagt: Über einzelne Punkte muss noch geredet werden. – Aber alle haben gesagt: Das ist die richtige Richtung. (Zustimmung bei der CDU)
Wir haben dann in der Tat auf eine Diskussion gehofft, weil auch Kritisches benannt worden ist, keine Frage. Aber statt mit uns darüber zu diskutieren, was man vielleicht verändern und verbessern könnte – wir haben gesagt: wir reden über alles -, kamen vom Kollegen Schmidt ausschließlich Nachfragen zum Landes-Raumordnungsprogramm. Was ich am peinlichsten fand: Von den Vertreterinnen der Grünen kam zu diesem Antrag nichts. Keine einzige Nachfrage, kein Wort! Eine Diskussion war nicht erwünscht. Es bestand schlichtes Desinteresse daran, was wir mit den Menschen, die zu uns kommen, langfristig machen wollen. Wie wir sie integrieren wollen, hat die Grü- nen schlichtweg nicht interessiert. (Zustimmung bei der CDU)
Das ist deswegen so schade und auch wirklich peinlich, weil man eines feststellen muss: Mit diesem Antrag, der zum Ziel hatte, zu klären, wie Niedersachsen von diesem Zuzug von Menschen künftig profitieren kann, hätten wir ein positives Signal nach draußen senden können. Wir würden nicht nur reden über Sozialbetrug, Safia S. und Gefährder, sondern wir hätten hier die Möglichkeit, das Thema Flüchtlingsbewegung positiv zu besetzen. Das haben Sie von Rot-Grün aber nicht gewollt.
Vielen Dank.