Unberechenbare Politiker, die sich über hart erkämpfte demokratische Werte hinwegsetzen, als Lügenpresse verschriener Journalismus und Hasskommentare in den Sozialen Medien – all das führt seit Monaten zu einem Gefühl der Unsicherheit, bis hin zu Wut und Unverständnis. Ob Trump in den USA, Erdoğan in der Türkei, Putin in Russland oder dieser verrückte Nordkoreaner mit seinen Wasserstoffbomben; wären dies alles Charaktere in einer Netflixproduktion könnte man vielleicht darüber lachen. Aber in Kombination mit der Flüchtlingskrise, dem Brexit und dem wachsenden Rechtspopulismus in Europa entsteht schnell das Bild eines stetig größer werdenden politischen Chaos und Kontrollverlustes.
Vor allem dank der Sozialen Medien wird dieses Unsicherheitsgefühl noch gesteigert. Mittlerweile sind auch politisch Nichtinteressierte maßgebliche Experten in hochkomplexen politischen Fragestellungen. Fakten sind dabei meist weniger von Belang. Entweder wird bei unliebsamen Kommentaren direkt mit der berühmten Nazikeule zugeschlagen, oder aber Kritiker der eigenen Meinung sind ohnehin nichts weiter als linksgrün-versiffte Gutmenschen und Bahnhofsklatscher. Eine politische Mitte ist in den Diskussionen der sozialen Netzwerke nur noch selten zu finden. Der Diskurs ist verroht. Und gerade das ist in Zeiten, in denen das reale Weltgeschehen Anlass genug zu vernünftigen Dialogen und Problemlösungen geben sollte, extrem gefährlich.
Verbreitete Fake News fördern extremen Populismus und werden zur politischen Stimmungsmache genutzt, Beleidigungen und Hass bestimmen die Kommunikation und Journalisten und Politiker, zumindest da sind sich rechts und links weitestgehend einig, sind generell unfähige und schlechte Menschen. Es ist traurig zu sehen, dass ausgerechnet das Internet, eine der größten Errungenschaften in der Geschichte, das die Menschen doch eigentlich durch den freien Zugang zu Wissen, Information und Kommunikation näher zusammenbringen sollte, dazu genutzt wird, eine neue Kultur des Hasses hervorzubringen.
Wie soll man mit dieser Entwicklung nun umgehen? Sicherlich sind die bisherigen juristischen Antworten im strafrechtlichen Sinne erforderlich gewesen, um keinen virtuellen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen. Aber noch wichtiger ist es, dass der liberale Umgang in Diskussionen wieder erlernt wird. Keine Seite darf per se verteufelt und als „die dunkle Seite“ verschrien werden. Dadurch werden lediglich die Extreme weiter gefördert. D.h. es muss eine klare Grenze zwischen der Kritik an abweichenden Meinungen und deren sachlicher Hinterfragung auf der einen Seite und dem stumpfen Hass und das Mundtotmachenwollen auf der anderen Seite gezogen werden. Daher ist es notwendig, dass der angemessene Umgang mit anderen Usern bei Aktivitäten in Social Networks, sowie das kritisch-logische Hinterfragen von Beiträgen bereits früh in der Schule erlernt wird. Denn die Sozialen Medien sind mittlerweile ein wesentlicher Teil der Kultur der jüngeren Generationen geworden. Für eine fundierte Meinungsbildung muss die Fähigkeit, sich differenziert mit den thematischen Hintergründen auseinanderzusetzen, intensiver trainiert werden. Diejenigen, die nicht wie selbstverständlich mit Smartphones und Laptops aufgewachsen sind, haben nun die verstärkte Verantwortung, ihr eigenes Verhalten im Internet zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Ein Kommentar ist schnell geschrieben und gelöscht. Die Wirkungen auf andere lassen sich nicht so einfach rückgängig machen.
Soziale Medien bieten ein riesiges Potential, gerade auch für Politiker, um die Stimmen derer zu hören, die sonst leicht übersehen werden. Kommunikation war noch nie einfacher und schneller. Gelingt es, dieses Potential auf einem Niveau aufzugreifen, das einen Gegenentwurf zu dieser derzeitigen Pöbel-Demokratie darstellt, könnten die Social Networks als großartiges Mittel der politischen Verständigung genutzt werden. Wenn die Meinungsbildung wieder durch Fakten und differenzierte Argumente bestimmt würde. Und dann würde auch ein Trump keinen Wahlkampf mehr durch hetzerische Tweets gewinnen können.