Dirk Toepffer (CDU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich eingangs Folgendes anmerken: In meinem folgenden Redebeitrag – ich rede über Verkehr und Grüne – darf Frau Menge nicht fehlen. Die Kollegin wird in einer kleinen kritischen Bemerkung Eingang finden. Da sie heute nicht da ist, wünsche ich der Kollegin Menge an dieser Stelle alles Gute, eine gute Genesung. Ich schätze sie durchaus als kämpferische Kollegin. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Nun zum vorliegenden Antrag: Er befasst sich mit drei Hauptakteuren. Der eine Akteur ist der, der Straßen bauen will, der andere Akteur ist der, der Straßenbau verhindern will, und schließlich gibt es den, der zwischen den Fronten steht oder sitzt. Der, der die Straßen bauen will, ist unser Wirtschaftsminister Olaf Lies. Die Zeiten, sein Vorhaben zu verwirklichen, sind günstig. Der Grund dafür ist der aktuelle Bundesverkehrswegeplan. Das hat Olaf Lies auch selbst bemerkt. In einer Pressemitteilung seines Hauses vom 3. August 2016 hat er wie folgt erkannt: „Unser Bundesland profitiert im Vergleich zum letzten Bundesverkehrswegeplan überproportional. … Wir können mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein.“ (Zustimmung von Gerd Ludwig Will [SPD])
Die Aussage ist bemerkenswert, lieber Kollege Will, schon deshalb, weil diese Landesregierung niemals müde wird, auf beinahe jedem Politikfeld die mangelnde Unterstützung des Bundes zu beklagen. Wann immer Sie die Dinge nicht voranbringen, ist der Bund schuld, Berlin soll es richten. – Wir sind es leid, das zu hören. (Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)
Bei den Fernstraßen ist es jetzt endlich einmal geschehen. Da gibt es das Zugeständnis, dass man in Berlin sehr wohl bemüht ist, Niedersachsens Infrastruktur voranzubringen. Dafür noch einmal herzlichen Dank an die Bundesregierung!
(Ronald Schminke [SPD]: Das sehe ich aber ganz anders!)
– Herr Schminke, es wird Sie nicht überraschen, dass mich überhaupt nicht interessiert, dass Sie das anders sehen. (Unruhe bei der SPD – Glocke der Präsidentin)
Die Unterstützung des Bundes ist auch dringend geboten, weil wir in Niedersachsen seit Jahren für bedeutende Infrastrukturvorhaben kämpfen. Ich nenne beispielhaft die A 20, die A 39 und die E 233. Diese Projekte sind nun endlich dank eines unionsgeführten Bundesministeriums im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. So stellt der Landeswirtschaftsminister in einer Pressemitteilung zu Recht zum aktuellen Bundesverkehrswegeplan fest: „Der Plan enthält sehr wichtige Weichenstellungen für die Zukunft unseres Landes.“ In einem Artikel in der Celler Presse vom 16. März 2016 – ebenfalls zum Bundesverkehrswegeplan – wird Minister Lies mit den Worten zitiert: „Jetzt ist der Norden dran.“ (Beifall bei der CDU und bei der FDP – Astrid Vockert [CDU]: Jawohl, ja! – Bernd Busemann [CDU]: Dann ist der Norden richtig dran!)
Leider hat sich Herr Minister Lies an dieser Stelle zu früh gefreut. Denn nun kommt der ins Spiel, der den Bau von Fernstraßen verhindern will oder den Bau von Fernstraßen verhindern muss. So genau weiß man das nicht bei unserem Umweltminister. Sicher ist jedoch: Für viele grüne Landespolitiker ist die Verhinderung des Ausbaus von Fernstraßen ein Herzensanliegen – leider. So wird die Kollegin Menge in diesem Hause nicht müde, die CDU und auch die FDP regelmäßig als „Betonpartei“ zu beschimpfen. Die Kollegin ist da zumindest immer sehr offen und ehrlich. Aber da endet auch die Anerkennung. Ich bleibe dabei: Unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung des Fernstraßenausbaus – im Flächenland Niedersachsen ist Ihre grüne Verkehrspolitik, liebe Frau Piel, lebensfremd, zynisch und menschenfeindlich. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Vor wenigen Tagen sind die neuesten Zahlen der Arbeitsagentur Niedersachsen/Bremen zum Pendelverhalten unserer Arbeitnehmer veröffentlicht worden. Danach ist die Zahl der Menschen, die in Niedersachsen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz pendeln, zwischen 2011 und 2016 auf jetzt 34 % gewachsen. Jeder Dritte muss Morgen für Morgen teils über mehr als 100 km zu seinem Arbeitsplatz fahren und das meist mit dem eigenen Kraftfahrzeug oder in einer Fahrgemeinschaft.
(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Machen sie das gerne?)
– Nein, die machen das nicht gerne, aber die müssen es. Es ist ja das Zynische, dass Sie den Menschen unterstellen, dass sie es gerne machen.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Nein, das haben wir gar nicht!)
Die würden vielleicht auch gerne mit dem Fahrrad fahren. Die Zahl derjenigen, die auf die Bahn ausweichen können, ist leider überschaubar. Das sieht man am Beispiel Wolfsburg. 77 500 Beschäftigte pendeln täglich in diese Stadt. 3 000 wohnen in Hannover. Sie können zwar die ICE-Verbindung zwischen beiden Städten nutzen. Zehntausende quälen sich aber Tag für Tag, von Norden kommend, über die B 4 nach Süden. Andere kämpfen sich im Westen unseres Landes über die völlig verstopfte E 233. Wer das einmal mitgemacht hat, weiß: Zum Teil geschieht das unter Einsatz ihres Lebens. Das sind nicht unbedingt Ihre grünen Wähler. Aber das sind hart arbeitende Menschen in diesem Lande. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Anders als Frau Menge oder Frau Piel, die den Bundesverkehrswegeplan in der jetzigen Form als „vorgestrig“ bezeichnet hat, haben Sie, Herr Wenzel, noch nicht erklärt, ob Ihnen diese nicht zu Ihrer Kernklientel gehörenden Menschen ebenfalls gleichgültig sind. Was Ihnen aber natürlich nicht gleichgültig ist, ist die kommende Bundestagswahl – und hier insbesondere das Abschneiden der Grünen. Wir erinnern uns: 2013 war das Ergebnis für Ihre Partei nicht so berauschend. 8,5 % – das nannten Spitzenpolitiker der Grünen „bitter enttäuschend“. Eine herbe Niederlage wurde eingeräumt. Da wird man jetzt natürlich nervös, wenn man Woche um Woche bundespolitisch weiter absackt, bei Forsa seit Mitte März stabil auf gerade noch einmal 7 %. Ohne einen grünen Heilsbringer à la Martin Schulz starten Sie in die bundespolitische Katastrophe. Das, lieber Herr Wenzel, ist der Grund, weshalb Sie nun eine Art grüne Profilierungskampagne starten. Deswegen beispielsweise diese unsägliche Regierungserklärung von Mittwochmorgen und das wehmütige Erinnern an die guten alten Zeiten der Antiatombewegung. Back to the Roots – das ist jetzt bei Ihnen angesagt. Deswegen auch dieses vermeintliche Husarenstück im Bundesrat. Da war der Bundesverkehrswegeplan vor wenigen Wochen noch einmal Thema, um darüber zu beraten, wie man verhindern kann, dass die privilegierten Vorhaben des Plans auf dem Rechtsweg doch noch zu Fall gebracht werden können. Dazu wollte man den Rechtsweg gegen die Realisierung dieser Vorhaben verkürzen. Das ist ein Verfahren, das sich bereits bei den Verkehrsprojekten zur Deutschen Einheit bewährt hat. Das ist ein Ansinnen im Interesse aller, die seit Jahrzehnten auf die betreffenden Straßen warten – ein Ansinnen im Interesse des Landes Niedersachsen und damit – so sollte man denken – auch im Interesse unserer Landesregierung. „Jetzt kommt der Norden!“, so Olaf Lies. Und dann passiert Folgendes: Stefan Wenzel tritt auf die Bremse, und zwar kräftig. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
In einem völlig unabgestimmten Alleingang beantragt dieser Minister im Umweltausschuss des Bundesrates, die für unser Land so wichtigen Fernstraßenprojekte von der Beschleunigung auszunehmen. Das ist ein Schlag in das Gesicht seines Kabinettskollegen – brutal und offensichtlich ohne jede Warnung. Ein in der Geschichte des Bundesrates ziemlich einmaliger Vorgang, der sich so bitte niemals wiederholen sollte! (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Der, der das verhindern könnte, ist der Ministerpräsident dieses Landes. Das ist der dritte Akteur bei diesem Antrag. Herr Ministerpräsident, Aufgabe der von Ihnen geführten Staatskanzlei ist die Ressortkoordinierung. Die Geschäftsordnung der Landesregierung enthält sogar eine entsprechende Bestimmung, in der geregelt ist, wie bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Landesregierung zu verfahren ist. Herr Ministerpräsident, es ist schlimm genug, dass Ihr Koalitionspartner offen gegen die Interessen des Landes und ebenso offen gegen die Politik Ihrer Landesregierung agiert. Aber noch viel schlimmer ist, dass Sie das so unbekümmert zulassen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Wir haben uns in diesem Haus daran gewöhnt, dass es in der Staatskanzlei und in der Vertretung des Landes beim Bundesrat drunter und drüber geht. Wir erinnern uns an das unsägliche Abstimmungsverhalten des Landes, als es darum ging, Verbrennungsmotoren in der EU bis 2030 gänzlich zu verbieten. Und wir erinnern uns daran, wie Sie völlig unberührt in Kauf genommen haben, dass Tausende von Verbrauchern verunsichert wurden, weil sie überlegen mussten, ob es überhaupt noch Sinn hat, ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor für einen längeren Zeitraum anzuschaffen. Und das im Automobilland Niedersachsen! Das war selbst dem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann zu viel. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Sie, Herr Ministerpräsident, sollten allmählich dafür Sorge tragen, dass Ordnung in diese Regierung und ihr Handeln kommt. Die Sorge Ihres Koalitionspartners ist verständlich. Unverständlich bleibt, dass das ganze Land unter der Nervosität Ihres Koalitionspartners leiden muss. Daher fordern wir Sie auf: Rügen auch Sie öffentlich den unerträglichen Alleingang Ihres Ministers im Interesse aller, die auf neue Infrastruktur in Niedersachsen warten! Vielen Dank.