Ohne Streit gibt es keinen Fortschritt, sagt Ralf Dahrendorf. Damit sich Freiheit und Demokratie weiterentwickeln können, müssen wir unsere Argumente aneinander schärfen. Dabei scheuen wir uns heutzutage viel zu häufig, miteinander den Streit zu suchen. Streiten gilt nicht als schick und oft hört man in der Politik das Argument, der Wähler wolle keinen Streit, die Menschen suchten den Konsens und die Ruhe.
Aber wie sollen wir die besten Lösungen finden, wie das Beste für die Menschen und unser Land erbringen, wenn wir nicht mehr darüber streiten, was das Beste ist? Wenn wir auf Parteitagen konträre Ansichten vertreten, wenn wir in der Fraktion über unterschiedliche Standpunkte diskutieren, wenn wir im Austausch der Argumente auf der Suche nach dem besten Weg sind, kommen die Mahner und Bedenkenträger. Sie erklären uns, dass wir das so nicht machen könnten, wir dürften uns nicht streiten. Was, wenn die Presse das mitbekommt? Die Angst vor der Schlagzeile „Streit in der Union“ prägt unsere Debatten- und Streitkultur und verhindert den Weg zur besten Lösung. Streit gehört zur Politik. Das Ringen um das beste Argument gehört zur Politik. Wer fair, sachlich und auf Augenhöhe seine Argumente austauscht, die politische Debatte mit seinem Standpunkt befeuert, der leistet der Demokratie einen guten Dienst und wird dazu beitragen, unser Land nach vorne zu bringen. Es geht bei der politischen Auseinandersetzung nicht um das Besiegen des Diskussionspartners, es geht um das Gewinnen für alle!
Daher müssen wir Streit und Debatte zulassen. Lassen Sie uns dem Kritiker einer stilvollen Streit- und Debattenkultur zurufen: Du schadest der Demokratie! Du unterdrückst die politische Debatte! Einige wenige Zauderer dürfen nicht zum Meinungsführer einer abgestumpften Konsensdiplomatie werden.
Ein guter Streiter interessiert sich für seinen Kontrahenten, nimmt ihn ernst und setzt sich mit seinen Argumenten und Positionen auseinander. Eine sinnstiftende und zukunftsorientierte Debatte auf einem Parteitag, in einem Gremium der Fraktion oder im Plenum eines Parlamentes ist nicht störend. Dem leidenschaftlichen Plädoyer folgt eine flammende Gegenrede. Das belebt die Demokratie, ermöglicht Bürgern den Einblick in das Für und Wider und schärft langfristig unser Profil.
Uns Politikern ermöglicht ein Streit um die Sache noch einmal die Möglichkeit, uns mit allen Argumenten und Positionen auseinanderzusetzen. Machen wir das Richtige? Haben wir alles bedacht und gegeneinander abgewogen oder haben wir etwas übersehen? Ist meine Position wirklich richtig?
Wenn wir als Volkspartei die unterschiedlichen Gruppen von Menschen an uns binden wollen, müssen wir Positionen finden, in denen diese sich wiederfinden können. Mit denen wir erklären, wie wir uns eine christdemokratische Gesellschaft vorstellen und wie wir dorthin gelangen. Dabei sollte uns nicht der ängstliche Blick auf Umfragen leiten, sondern die politische Debatte. Lassen Sie uns die Auseinandersetzung suchen, den politischen Diskurs nicht scheuen. Hart in der Sache, fair und respektvoll im Umgang miteinander. Es lohnt sich. Für die Sache, für unser Profil und für die Menschen in unserem Land. Streitet euch!