Rede im Niedersächsichen Landtag: „Wir müssen die Menschen vor Ort nicht fürchten“
Anlässlich einer Aktuellen Stunde im Landtag hat sich die CDU-Fraktion dafür ausgesprochen, die Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen auszubauen und mit dem Grenzlandmuseum Eichsfeld erstmals eine Einrichtung zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts zu fördern. In seiner Rede begründet Fraktionschef Dirk Toepffer, warum Niedersachsen einen angemessenen Erinnerungsort auf dem Bückeberg unterstützen und die Bürger in Emmerthal dennoch befragen sollte.
„Viele Menschen in Deutschland sehen ihre Heimat aus höchst unterschiedlichen Gründen in Gefahr. Manche von denen, die in Chemnitz auf der Straße waren, fürchten die Veränderung: Heimat ist nun einmal auch das, was man kennt und das deshalb nicht verändert werden soll. Andere fürchten sich vor Kriminalität: Denn Heimat ist auch der Ort, an dem man sich sicher fühlt. Für unsere Heimat tragen wir Verantwortung. Wer dieser Verantwortung gerecht werden will, muss sich auch mit der Geschichte dieser Heimat befassen. Wer das tut, wird eines dabei feststellen: Heimat ist keine Konstante – sie verändert sich. So haben es auch die Menschen in Niedersachsen nach dem Ende des Dritten Reiches erfahren. Mit dem Zuzug hundertausender Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten und weiterer hunderttausender Menschen aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion hat sich die niedersächsische Heimat verändert. Für die, die hier schon immer eine Heimat hatten. Und für die, die eine neue Heimat gefunden haben. Und ich bin sicher: Diese Veränderung hat Niedersachsen nicht geschadet. Sie hat Niedersachsen vorangebracht.
Wer sich um den Verlust seiner Heimat sorgt, wird leider immer wieder zum Spielball derer, die alles Fremde fürchten und sich nicht scheuen, heute aus der rechten Ecke jene in Russland zu hofieren, die noch im Gestern leben. Dabei sollte nicht vergessen werden: Flucht und Aussiedlung aus der früheren Sowjetunion waren Folge von Diskriminierung und Missachtung der Menschenrechte. Wer die Menschenrechte in Russland missachtet oder Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert, handelt in der Tradition derer, die Millionen Deutsche verfolgt und aus dem Land vertrieben haben. Um seine Heimat zu verstehen, muss man sich aber auch mit den Ursachen geschichtlicher Veränderung auseinandersetzen – einer der Gründe, weshalb wir uns auch künftig für eine aktive Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen einsetzen müssen. Vielleicht ist es gerade dieser Gedenkstättenarbeit zu verdanken, dass uns manche negative Entwicklung, die wir aktuell in anderen Bundesländern erleben, bislang erspart geblieben ist.
Die CDU-Fraktion hält es daher für sinnvoll, die Arbeit der 15 niedersächsischen NS-Gedenkstätten durch eine 16. Gedenkstätte am Bückeberg abzurunden. Über die Konzeption und Größe einer solchen Gedenkstätte
muss man diskutieren. Aber im Grundsatz ist es richtig, gerade jungen Menschen deutlich zu machen, mit welchen Mitteln Nationalsozialisten die Menschen in ihren Bann gezogen und für ihre menschenverachtende Politik missbraucht haben, damit wir nicht wieder auf eine Politik der großen Gesten und der lauten Worte hereinfallen. Bei der Umsetzung dieses Vorhabens sollte man aber auch darauf achtgeben, nicht am Ende diejenigen zu stärken, die genau diese Politik der lauten Worte fortsetzen wollen. Wer den Menschen in Emmerthal erzählt, dass es auf ihre Meinung zur Ausgestaltung der Gedenkstätte nicht ankommt, der riskiert, sie in die falsche Richtung zu treiben. Deshalb sollten alle Gegner einer Bürgerbefragung vor Ort noch einmal darüber nachdenken, ob sie ihre Haltung wirklich weiter durchtragen wollen. Wir müssen die Menschen nicht fürchten.
Zur Geschichte unserer Heimat gehört aber nicht nur das nationalsozialistische Unrecht. Wer für die Heimat Verantwortung übernimmt, muss auch der Opfer der zweiten Diktatur auf deutschem Boden gedenken. Niedersachsen hatte die längste innerdeutsche Grenze zur sogenannten DDR und unterstützt keine einzige Einrichtung, die sich mit den Schrecken dieser Grenze befasst. Keine Landesregierung ist hier der eigenen Verantwortung gerecht geworden. Als CDU-Fraktion wollen wir das ändern und endlich das weitgehend von Ehrenamtlichen aus Duderstadt getragene Grenzlandmuseum Eichsfeld verlässlich unterstützen.“